Neulich hat mich eine sehr gute Freundin gefragt: „Was ist Glück?“
Das erste, was fast allen von uns in den Sinn kommt ist: Glück ist, im Lotto zu gewinnen, einen 120.000.000 € Jackpot zu kassieren und im Saus und Braus zu leben. Alle Freunde reichlich beschenken, einen dicken Bentley fahren und im Champagner baden.
Wirklich?
Ich traf ein paar richtig reiche Leute in meinem Leben, die sich fast alles leisten können, die schönsten Kleider tragen, die neuesten Autos fahren und alle halben Jahr durch die ganze Welt reisen, um in den besten Resorts zu verweilen. Die schmeißen Partys, dass du über Tage nur am Singen und Tanzen bist. Vor lauter „Glück“ bleibt einem die Spucke nicht nur weg, sondern die Trockenheit im Mund hält über Tage an. Da wird viel und gerne der Rachen gespült, und zwar mit den feinsten Tropfen. Aus Pokalen und Damen-Schuhen. Kaskaden der Freude und was du nicht gesehen hast.
Ja, und? Das Leben jenseits dieser exquisiten Zerstreuung ist öfters fad und mühselig. Der Kater hält sich länger, als man sich wünscht, und nicht selten ist die Flasche ein treuer Begleiter, wenn man Glück hat. Wenn man Pech hat, steigt man in härtere Sachen ein und kann/will nicht mehr ohne.
Das ist so wie beim Autofahren: wenn du nach einer Tour mit zweihundert Sachen plötzlich sechzig fährst, denkst du dir „Shit, die Karre steht“ und wenn du dann aussteigst, bist du hin. Die halbe Welt fragt sich dann: „Wieso, warum, was ist passiert? Das war so ein netter Mensch und hatte doch alles!“ Ja, ja, das Geld bringt Unglück. Quatsch.
Also, was ist Glück?
Glück ist, sich bester Gesundheit zu erfreuen, Sport zu treiben und über die Berge zu laufen, Fahrrad zu fahren und in den Seen zu tauchen. Ja, das ist Glück.
Wirklich?
Das kenne ich aus eigener Erfahrung. Wenn du nach einer Woche Arbeit, am Samstag mitten in der Nacht aufstehst, dich bereit machst, um zwei Stunden irgendwo hinzufahren, wo du in einer grünen Suppe eine halbe Stunde dir die Allerwerteste abfrierst. Und wenn du nicht genug hattest, wiederholst du das Bad in der Brühe, dieses Mal jedoch vom anderen Ufer. Tauchst auf, bist glücklich deinen Tauchpartner nicht verloren zu haben, und durchgefroren und hungrig fährst wieder zwei Stunden nach Hause. Bist froh, wenn im Kühlschrank eine Suppe vom Vortag ist. Den Rest des Abends tauchst du unter der Decke und wärmst dich auf.
Dann noch ein anderes Beispiel, das uns allen gut bekannt ist: Du machst das ganze Wochenende durch. Einkaufen, Putzen, Berge, Radeln und am Sonntagabend fehlst einfach nur auf die Couch, und bist froh, dass morgen Montag ist und du dich im Büro ausruhen kannst. Falls du Glück hast und Bürohengst bist.
Das kann doch nicht die Verkörperung von Glück sein, oder?
Was ist dann Glück wirklich?
Na ja, ist eine intakte Familie mit Mutter, Vater, Kindern, Verwandten das Bild vom Glück?
Zum Teil sicherlich. Wenn die Chemie im Haus stimmt, dann schon. Es sei denn, es ist nicht der Fall. Wer von uns kennt das nicht, dass die lieben Verwandten mir nichts, dir nichts, Familientreffen sprengen? Weil die Tante etwas gesagt hat und der Cousin zweiten Grades sich vor zwei Jahren daneben benommen hat und die eigene Schwägerin als „Schlampe“ bezeichnet hat. Keiner hat es vergessen und die Schwägerin schon recht nicht. Also wird die Sache wieder ausgerollt, weil gerade nach zwei Halben die Stimmung so passend ist.
Tja, das schöne Bild vom Familienglück hat doch ein paar Soßenflecken abbekommen.
OK, dann ist das Rausch, durch welche Substanzen auch immer, das pure Glück.
Man ist weg. In einem anderen Universum, unantastbar und unerreichbar für erdliches Volk, schwebt man auf Wolke Acht und reist durch fremde Dimensionen oder was auch immer.
Das Thema möchte ich nicht noch einmal aufrollen, im Abschnitt Geld habe ich das kurz angeschnitten. Fakt ist, irgendwann wird man doch nüchtern, ist wieder mit sich selbst und muss ins Reine kommen. Ob sanfter oder kalter Entzug, alles tut weh, nur dass manches auf Raten geschieht. Dieses Teil des Vergnügens ist sicherlich kein Glück.
Also, was ist das Glück eigentlich? Gibt es so etwas überhaupt? Oder ist das eine Mär aus Märchen und Träumen?
Ich weiß nicht, was Glück für dich ist. Tut mir leid. Ich weiß aber, was Glück für mich bedeutet.
Es ist tatsächlich all das, was ich oben beschrieben habe, und noch viel, viel mehr.
Ich liebe jeden dieser Aspekte meines Lebens. Alle Höhen und Tiefen machen für mich das Glück aus. Und der gemeinsame Nenner ist: mein Bewusstsein.
Den Augenblick in den Bergen zu genießen und den Zauber des Herbstes zu beobachten. Das Tauchen in den Seen und nach Hechten Ausschau halten.
Mit der Familie am Tisch sitzen und sich bewusst werden, dass wir es noch einmal geschafft haben, zusammenzukommen. Die Zeit läuft und die Menschen gehen.
Mal die Nacht richtig durch tanzen und mit belegter Stimme vor lauter Singen sich gegenseitig auf die Schippe zu nehmen, weil man gestern der Kasper des Abends war.
Sich einfach im Klaren sein, dass wir hier nur für einen kurzen Augenblick zu Gast sind. Dass wir extrem wichtig sind für die Allgemeinheit oder für eine einzelne Person oder ein Wesen mit Fell zum Beispiel. Und doch ersetzbar in unserem Sein sind.
Die Welt kann ohne uns und zwar locker leicht, doch wir haben die einzigartige Möglichkeit erhalten hier zu verweilen und uns dessen bewusst zu sein. Wir kommen alle als glückliche Wesen auf die Welt und bleiben so lange glücklich, bis wir lernen, was Vergleich ist. Wenn ich keine Matchbox-Autos kenne, ist mein kleiner Laster aus Holz das schönste auf der Welt. Doch irgendwann hören wir zum ersten Mal: „Aber das da ist doch schöner.“ Die Falle schnappt zu und das unschuldige Glück ist dahin. Dann rennen wir hinter Plastik und bunten Dingen her und vergessen, dass das Glück in uns selbst wohnt und dass wir weder andere Menschen noch irgendwelche Dinge zum Glücklichsein brauchen.
Aber auf diesem Level muss man erst mal kommen. Das passiert nicht jedem.
Für mich persönlich ist Glück, hier zu sein und bewusst zu leben, denn alles, was mir passiert, passiert für mich. Alle Aspekte des Daseins sind positiv und negativ zugleich. Wir alle stehen in der Sonne an einem schönen, warmen Tag. Wo wir unseren Blick richten, ist unsere Entscheidung. Man kann in das Licht schauen oder seinen Schatten bewundern, das ist uns selbst überlassen.
Am Ende des Tages … die Mischung macht’s. 🙂
… und falls du eine Abkürzung zum Glücklichsein suchst, sei einfach der Grund, warum sich jemand auf den Tag freut. Das geht doch leicht.
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